Nabelhygiene: So beugen Sie Nabelentzündungen beim Kalb wirksam vor
Frühzeitig erkannt, können Nabelerkrankungen in der Regel gut behandelt werden. Da alleine von Nabelentzündungen rund 5% aller neugeborenen Kälber betroffen sind, sollte eine vorbeugende Nabelhygiene unbedingt fokussiert werden.
In diesem Artikel zeigen wir Ihnen,
- wie eine richtige Nabelhygiene aussieht,
- wie Sie Nabelerkrankungen erkennen können,
- was es rund um den Nabelbruch eines Kalbs zu wissen gilt und
- wie sich eine Nabelentzündung erkennen, behandeln und vermeiden lässt.
Die richtige Nabelhygiene während und nach der Geburt
Der kritische Zeitraum der Nabelhygiene beginnt mit der Geburt und erstreckt sich insbesondere auf die ersten Lebenstage des neugeborenen Kalbs. Eine konsequente Nabelhygiene in dieser Zeit ermöglicht es, Nabelentzündungen wirksam vorzubeugen und Nabelerkrankungen rechtzeitig zu erkennen.
Keimdruck niedrig halten: So gehen Sie vor
Vor, während und nach der Geburt ist eine Reduzierung des Keimdrucks das Gebot der Stunde. Zunächst gilt es, für eine saubere Abkalbebox zu sorgen. Diese sollte vor der Kalbung gereinigt und frisch eingestreut – und im Vorfeld keinesfalls für die Versorgung kranker Tiere genutzt werden.
Gleiches gilt für die Kälberbox.
Hintergrund: Nach der Geburt wird sich das Kalb hinlegen, sodass der Nabel zwangsläufig Kontakt zum Boden hat. Da der Nabelschnurrest (sog. Nabelstrang) letztlich eine offene Wunde darstellt, ist die Gefahr einer Infektion bei unzureichender Hygiene entsprechend hoch.
Bei der Geburt selbst gilt: Seien Sie so zurückhaltend wie möglich. Der Nabelstrang reißt in der Regel von allein. Wird ohne medizinische Notwendigkeit nachgeholfen, ist die Bruchstelle oft zu nah am Hautnabel, was ernsthafte Komplikationen nach sich ziehen kann.
Im Anschluss an die Geburt sollte der Nabel gründlich begutachtet, nach Möglichkeit aber nicht berührt werden. Sollte es doch notwendig werden, den Nabel anzufassen, sind übliche Hygienerichtlinien (insb. voriges Händewaschen und die Nutzung von frischen Einmalhandschuhen) einzuhalten.
Nabeldesinfektion: Ja oder nein?
Ob der Nabel nach der Geburt desinfiziert werden sollte, ist unter Veterinären umstritten. Der Grund: Jede Desinfektion mit den in der Regel genutzten alkoholische Jodlösungen oder mit Chlorhexidin kann die Haut reizen und sich negativ auf den Heilungsprozess auswirken.
Der Fokus sollte daher besser auf den hygienischen Bedingungen rund um die Kalbung liegen. Bei gesunden Kälbern, die in Betrieben mit niedrigem Keimdruck zur Welt kommen, ist eine Nabeldesinfektion nicht erforderlich.
Betriebe, die in der Vergangenheit häufig von Nabelentzündungen betroffen waren, sollten dagegen – nach Absprache mit dem Tierarzt – eine Nabeldesinfektion durchführen. Dabei gehen Sie folgendermaßen vor:
- Sprühen oder gießen Sie das Desinfektionsmittel über den Nabelrest. Auch ein Eintauchen in die Desinfektionslösung ist alternativ möglich.
- Entsorgen Sie die Desinfektionsreste unmittelbar nach der Verwendung. Nutzen Sie diese kein zweites Mal – das würde der Vermehrung und Weiterverbreitung von Erregern Tür und Tor öffnen!
- Die Desinfektionslösung muss nicht eingerieben werden. Fassen Sie den Nabelstrang so wenig wie möglich an und vermeiden Sie ein Abreißen oder unnötiges Abbinden.
So wichtig ist die regelmäßige Nabelkontrolle
Im Zuge einer normalen Geburt reißt die Nabelschnur an der vorgesehenen Sollbruchstelle, die etwa eine Handbreit vom Hautnabel entfernt liegt. In den folgenden Tagen trocknet die Nabelschnur langsam aus, bis sie nach rund zwei Wochen schließlich abfällt.
Da die Wunde eine ideale Brutstätte für Keime ist, sollte sie sorgsam und regelmäßig kontrolliert werden.
Ansicht eines sauberen, bereits eingetrockneten Nabels. Bildquelle: https://www.milchpraxis.com/nabelerkrankungen-durch-hygiene-vermeidbar/.
Eine routinemäßige Sichtkontrolle bietet sich unmittelbar nach der Geburt, nach rund einer Woche und bei der Umstallung von Einzel- in Gruppenboxen an, können die Kälber im Anschluss doch nur noch unter größerem Aufwand untersucht werden. Bei Auffälligkeiten während der Kontrolle sollte ein Tierarzt zu Rate gezogen werden.
Korrekte Nabelhygiene: eine Checkliste
Eine konsequente Nabelhygiene ist die beste Prophylaxe von Nabelerkrankungen.
Orientieren können Sie sich dabei an folgender Checkliste:
- Reinigen Sie die Abkalbebox und streuen Sie diese mit frischem, langem Stroh ein. Verzichten Sie auf Sägemehleinstreu.
- Nutzen Sie die Abkalbebox nicht für die Versorgung kranker Tiere.
- Halten Sie beim möglichen Einsatz von Geburtshilfen übliche Hygienerichtlinien (Desinfektionsmittel, saubere Einmalhandschuhe etc.) ein.
- Manipulieren Sie möglichst nicht die Nabelschnur, sodass diese an der Sollbruchstelle reißen kann.
- Fassen Sie den Nabel nicht an, sondern führen Sie nach der Kalbung lediglich eine Sichtkontrolle durch.
- Binden Sie den Nabel nur ab, wenn dieser stark blutet. Nutzen Sie hierzu einen desinfizierten Faden.
- Verzichten Sie nach Möglichkeit auf eine Nabeldesinfektion.
- Sollte der Nabel desinfiziert werden müssen, sprühen Sie die Desinfektionslösung auf oder gießen Sie diese über den Nabelrest. Reiben Sie die Lösung nicht ein!
- Verwenden Sie keine scharfen Desinfektionsmittel, sondern setzen Sie auf Jodlösungen oder Chlorhexidin. Nutzen Sie die Desinfektionsmittel kein zweites Mal.
- Sorgen Sie für eine saubere Kälberbox, um die Infektionsgefahr möglichst gering zu halten.
- Halten Sie die Kälber in den ersten Tagen einzeln, um ein gegenseitiges Besaugen zu vermeiden.
- Führen Sie mindestens drei Sichtkontrollen durch: unmittelbar nach der Geburt, nach 5 bis 7 Tagen und vor dem Umstallen.
Nabelerkrankungen frühzeitig erkennen
Frühzeitig erkannt, können Nabelerkankungen in den meisten Fällen gut behandelt werden.
Kommt nach der Sichtkontrolle ein entsprechender Verdacht auf, sollten Sie den Nabel nur unter den oben beschriebenen Hygieneregeln betasten. Erste Anzeichen einer Nabelerkrankung sind insbesondere:
- Berührungsschmerzen
- geringe Futteraufnahme
- allgemeine Mattheit
- Fieber (> 39,5°C)
- verstärkte Wärmeentwicklung
- Rötungen
- Schwellungen
- eitriges Sekret
Stellen Sie eine Nabelerkrankung fest, sollten Sie unverzüglich handeln. Bei einer frühzeitigen Behandlung heilen Nabelerkrankungen meist unkompliziert aus. Ein zu langes Zögern kann dagegen zu Organschäden und Blutvergiftungen führen, sodass das betroffene Kalb mitunter eingeschläfert werden muss.
Die Diagnose
Schon einfaches Betasten erlaubt es dem behandelnden Tierarzt Rückschlüsse auf Art und Schweregrad der Nabelerkrankung zu ziehen. Nabelbrüche, -abszesse und Fisteln lassen sich auf diese Weise bereits voneinander abgrenzen.
Unter Umständen kann auch eine Ultraschalluntersuchung nötig werden, um den Schweregrad der Erkrankung sowie ggf. den Nutzen einer Operation besser einschätzen zu können.
Harngangsfistel – seltene Nabelerkrankung
Anders als Nabelbrüche und Nabelentzündungen kommen Harngangsfisteln sehr selten vor. Bei einer Fistel hat sich die Verbindung zwischen Nabel und Harnblase nicht geschlossen, sodass Harn über den Nabel abgesetzt wird.
Nabel und umgebende Stellen sind daher sehr feucht. Kann der Harn nicht über die Haut austreten, bildet sich in Folge der Harnansammlung eine Zyste. Bei einer frühzeitigen Operation ist die Prognose günstig.
Der Nabelbruch
Der Nabelbruch ist eine der häufigsten Erkrankungen des Nabels. Die angeborenen Brüche heilen oftmals von selbst zu. Bei komplizierten Brüchen allerdings ist eine frühzeitige tierärztliche Behandlung zwingend erforderlich.
Gut zu wissen: Nabelbrüche sind zu einem gewissen Grad vererbbar. Betroffene Tiere sollten Sie daher von der Zucht ausschließen.
Nabelbruch: Charakteristischer ausgestülpter Hautsack. Bildquelle: https://www.milchpraxis.com/nabelerkrankungen-durch-hygiene-vermeidbar/
Der Nabelbruch zeigt sich als ausgestülpter Hautsack, in dem sich Eingeweide befinden, und ist damit meist auf den ersten Blick erkennbar.
Prinzipiell gilt: Unkomplizierte Nabelbrüche
- sind meist erst einige Tage oder Wochen nach der Geburt erkennbar,
- weisen einen vergrößerten, dicken Nabel auf,
- sind weder warm noch schmerzhaft für das Kalb,
- können problemlos in den Bauch zurückgeschoben werden und
- haben keine Auswirkungen auf die Vitalität des Kalbs.
Abgrenzungsschwierigkeiten kann es insbesondere zum Nabelabszess geben. Letzterer stellt eine Eiterfüllung des Nabels dar, die nicht in den Bauchraum zurückgeschoben werden kann. Allerdings können auch komplizierte Brüche oft nicht zurückgeschoben werden.
Die Nabelentzündung
Eine Nabelentzündung betrifft bis zu 5% aller Kälber. Die Prognose ist mit einer 95-prozentigen Heilungsrate zwar gut, allerdings sinken die Heilungschancen bei zu später Behandlung rapide.
Folgen einer Nabelentzündung
Unbehandelte Nabelentzündungen können schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Zum einen ist die Gefahr groß, dass die Entzündung in den Bauchraum aufsteigt und dabei die Organe schädigt.
Aber auch die Entwicklung eines Abszesses – und daran anschließend eine Blutvergiftung – ist möglich. So enden verschleppte Nabelentzündungen in nicht wenigen Fällen tödlich und verursachen damit einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden.
Symptome einer Nabelentzündung beim Kalb
Akute Nabelentzündungen treten meist in den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt auf. Sie zeichnen sich durch Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Fieber (> 39,5°C), Wärmeentwicklung sowie einen dicken, druckempfindlichen Nabel aus. Teils ist auch ein eitriger Ausfluss feststellbar.
Werden Nabelentzündungen nicht rechtzeitig behandelt, kann die Entzündung in die Bauchhöhle aufsteigen, was zu einer gravierenden Verschlimmerung der Symptome führt. So nimmt die Schmerzintensität zu und der Rücken erscheint gekrümmt. Kommt es in der Folge zu einer Blutvergiftung, sind auch Anzeichen eines Schocks sowie Körpertemperaturen unter 38,5°C möglich.
Nabelentzündungen beim Kalb behandeln: Diese Möglichkeiten gibt es
Grundsätzlich werden Nabelentzündungen vom Tierarzt mit Antibiotika und Entzündungshemmern behandelt.
Liegt eine Nabelvenenentzündung vor, muss der betroffene Teil der Vene operativ entfernt werden. In diesem Fall sinken die Heilungschancen auf 90%.
Sind bereits mehrere Organe von einer Entzündung betroffen, ist die Prognose schlecht und eine Operation aus tierschutzrechtlicher Sicht in der Regel nicht mehr vertretbar, sodass eine Einschläferung unumgänglich ist.
Wichtig: Auch nach einer abgeklungenen Entzündung sollten regelmäßige Sichtkontrollen durchgeführt werden.
Ursachen und begünstigende Faktoren
Eine Nabelentzündung wird durch Bakterien verursacht. Eine akute Nabelentzündung geht häufig auf Escherichia coli zurück, während Trueperella pyogenes vor allem bei der Bildung von Abszessen eine Rolle spielen.
Neben den verursachenden gibt es eine ganze Reihe von begünstigenden Faktoren. Dazu zählen insbesondere schlechte Haltungsbedingungen und eine mangelhafte Hygiene. Aber auch das wechselseitige Besaugen von Kälbern kann eine Nabelentzündung verursachen und sollte daher möglichst unterbunden werden.
Eine Einzelhaltung der Tiere in den ersten Lebenstagen und das Anbieten von Nuckeleimern sind empfehlenswert. Besonders häufig von Entzündungen betroffen sind schwergeborene und frühreife Kälber sowie Tiere, deren Nabelbruchstelle zu dicht an der Bauchdecke verläuft. Aber auch Tiere mit besonders dickem Nabel neigen zu einem Bruch.
Wie Sie Nabelentzündungen bei Kälbern wirksam vorbeugen
Betriebe, die einige grundlegende Punkte befolgen, haben gute Chancen, Nabelentzündungen wirksam vorzubeugen.
Der Fokus der Prophylaxe sollte dabei auf den folgenden Punkten liegen:
- Achten Sie auf eine konsequente Hygiene auf Basis der oben genannten Checkliste.
- Fassen Sie den Nabel im Rahmen der Begutachtung und Behandlung so wenig wie möglich an!
- Vermeiden Sie ein gegenseitiges Besaugen der Kälber.
- Stellen Sie eine frühzeitige und ausreichende Versorgung mit Kolostrum sicher (mindestens 3 Liter in den ersten 6 Lebensstunden), um die Abwehrkräfte der Kälber zu stärken. Auf diese Weise können Sie auch Kälberdurchfall vorbeugen.
- Überarbeiten Sie das Management der Kälberaufzucht bei gehäuft vorkommenden Entzündungen.
Um eine Infektion frühzeitig zu erkennen, sollte der Nabel zudem regelmäßig kontrolliert werden.